Myrtax XVIII - Verderben am Tag

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34. Cervore 7347 Vierte Ära NL

Mittag

Myrtax

 

 

Myrtax lag mit angewinkelten Beinen in seinem zerwühlten Bett und versuchte nicht mehr zu weinen. Dreimal war Jaloquin über und ihn ihm gekommen, von den anderen Männern ganz zu schweigen. Die beiden Frauen hatten nur zugeschaut und die Männer irgendwann überredet, von ihm abzulassen und waren mit ihnen in den Betten verschwunden.

Versautes Pack, allesamt! Was hatten die nur mit ihrem Sex und bei den Infernalé, Myrtax wusste nicht, wohin mit seinem Schmerz. Die Laken waren blutig, sein Hintern brannte, sein Rücken war eine einzige offene, blutende Wunde und Hunger hatte er auch noch. Jetzt kam noch diese ohnmächtige Wut hinzu, gegen die er aber nichts machen konnte.

>>Und was, wenn du könntest?<<

Myrtax schaute sich um und entdeckte niemanden bis auf ein verspieltes Paar am Ende des Gesindehauses.

>>Antworte doch einfach in Gedanken, ich höre dich.<<

Es war eine männliche Stimme, sehr tief wie ein fast ausgetrockneter Brunnen. Offenbar nur in seinem Kopf.

'Du...wer bist du?'

>>Renklah, wenn du einen Namen willst. Aber schön, du bist der erste, der nach meinem Namen fragt.<<

'Und was bist du?'

>>Die Vampire würden mich einen Gott nennen.<< Ein tiefes, langsames Lachen. >>Ihr Menschen würdet mich einen Gott nennen.<<

'Habe ich dich die letzten Jahre gehört?'

>>Möglich. Also, willst du etwas gegen die Wut, deine Peiniger und die anderen tun?<<

'Ja. Was muss ich dafür tun?'

>>Oh, gleich zur Sache. Das gefällt mir. Ich habe dich beobachtet und da du kein Interesse an Männern oder Frauen hast, schicke ich dir meine Dienerin. Hier, das ist mein erstes Geschenk an dich.<<

Etwas Warmes kroch über seinen Rücken, der Schmerz verschwand.

>>Ganz heilen kann ich nicht, die Vampire haben irgendein Wundgift benutzt. Es wird ein paar Wochen dauern, bis deine Wunden vollständig verheilt sind.<<

'Ich...danke. Was... das ist ein Handel, oder? Was willst du von mir?'

>>Für deine Rettung und meine Hilfe? Nur einen nicht näher spezifizierten Gefallen, den ich irgendwann bei dir einlöse.<< Wieder dieses Lachen. >>Du hast zwei Minuten, dich anzuziehen. Achte nicht auf dein Blut, du wirst später noch viel mehr davon haben.<<

'Was passiert in zwei Minuten?'

>>Nimm alles mit, was du tragen kannst. Ich würde eines der Laken dafür nehmen.<< Renklah lachte wieder. >>Eine Minute.<<

Damit verschwand die Stimme aus seinem Kopf, hinterließ eine erstaunliche Leere. Anziehen, Laken? Was?

Myrtax erhob sich, seine Wunden bluteten erneut und brachen auf, der Schmerz hielt sich erstaunlicherweise in Grenzen. Rasch klaubte er seine doch recht gute Kleidung auf, die man ihm aus irgendeinem Grunde nicht gestohlen hatte, schlüpfte in die Schuhe aus Leder und warf seine wenigen Habseligkeiten ins Bett inklusive seiner verschlossenen Urne auf das Laken des Bettes, bevor er es verknotete.

"He, was machst du da?", ertönte eine Stimme aus der Richtung des kopulierenden Pärchens, das leise Stöhnen hörte auf. "He, der will abhauen!"

Frau und Mann - Myrtax glaubte, es waren Rhinne und Harold - stolperten aus dem Bett, um ihn aufzuhalten, aber weit kamen sie nicht.

"Oh. Die sind aber hübsch.", sprach eine singende Stimme von links aus den Waschräumen. Die Stimme hörte sich an wie flüssiges Silber und schien zu vibrieren. Rhinne wurde von hinten am Hals gepackt, Klauen schlossen sich um ihren Hals und Harold gab einen erstickten Laut von sich; Rhinne schrie, als etwas seine Wirbelsäule in einer Blutfontäne aus dem Körper riss. Haut, Eingeweide und Blut platschten zu Boden.

"Oh, so hübsch und so eine niedliche Stimme.", ertönten wieder die fremden Worte, die vor Begierde und Neugier strotzte. Etwas biss Rhinne in den Hals, zerstörte dabei das Sklavenhalsband aus Metall, eine Hand bohrte sich von vorne zwischen ihre Brüste in die Brust, wühlte darin herum, Knochen knackten.

Die Sklavin schrie. Was immer sie festhielt, saugte ihr in rasender Geschwindigkeit das Blut aus und als Rhinne aufhörte zu zappeln, riss das Etwas ihr das Herz aus der Brust, ihr lebloser Körper wurde achtlos in die Ecke geworfen, wo er polternd zur Ruhe kam.

Was Myrtax sah, war eine Frau. Jedenfalls sah sie aus wie eine Frau, die Gesichtszüge waren weiblich und auch ihre Kurven erschienen Myrtax weiblich. Allerdings war ihre Haut eher wie Schuppen in der Farbe von Bronze, die sich über den ganzen Körper zogen. Sie hatte auch keine Haare, nur eine geschuppte Kopfhaut und zwei Hörner, die sich nach hinten bogen, ebenfalls geschuppt und in der Farbe von Bronze. Sogar Brust, Beine, Bauch, Weiblichkeit, alles war in Bronzeschuppen gehüllt, sodass nur ihre Kontur wirklich zu erkennen war und keine Details. Es sah aus wie eine Art Rüstung, die den Körper betonte. Aus ihrem Rücken kam etwas, dass sehr an einen Drachenschwanz erinnerte. Myrtax hatte über Drachen gelesen, angeblich haben sie sogar vor Werwölfen und Menschen den Kontinent beherrscht.

"Was bist du?", rief eine Stimme, ein Pfeil zischte, prallte an ihr ab. Die Frau lachte, leckte sich über die blutbeschmierten Lippen, leckte sich über die Krallen an der Hand und trat vor. Sklaven schrien um Hilfe, als sie Anlauf nahm und lachend den ersten Sklaven in der Luft zerriss. Der Soldat dahinter hatte ebenso keine Chance, sogar seine Rüstung wurde wie nasses Papier auseinandergerissen.

Myrtax war wie erstarrt. Die Schuppenfrau trieb die Sklaven vor sich her und dann wieder in das Gesindehaus. Sie war so viel schneller als jeder Mensch und in wenigen Augenblicken riss Fleisch, brachen Knochen, Eingeweide befleckten die Wände.

In nicht ganz zwei Minuten waren drei Dutzend Vampire und Menschen gestorben. Myrtax war übersät mit Blutspritzern, sogar im Gesicht hatte sich das Blut von mindestens drei Menschen verteilt.

"He, ist das nicht der, der dich gebumst hat?" Die Schuppenfrau kam herein, schleuderte den stämmigen Jaloquin auf den Boden, mit einem krallenbewehrten Fuß hielt sie den starken Sklaven unten. "Willst du dich an ihm rächen oder kann ich ihn haben?"

"Haben?"

"Ja. Drücke ich mich unklar aus?"

"Nein, ich..." Myrtax schaute herab, sich dann um und grinste breit, packte Jaloquin an den Haaren und zwängte seinen Kopf nach oben. "Sei froh, dass sie keinen Schwanz hat. Also, so wie du."

"Oh, ich kann was anderes.", kicherte die Frau, drehte den Mann auf den Rücken und hob ihn hoch, sodass er wieder aufrecht stand. Sie war so groß wie er, musterte ihn von Kopf bis Fuß. "Wenn ich es nicht eilig hätte, würde ich dich mitnehmen." Sie legte den Kopf schief, als würde sie lauschen, zuckte dann mit einer Schulter und bohrte ihre Hand von unten in die Brust des Mannes. Er schrie und war kurz darauf nur noch ein lebloses Stück Fleisch, das zusammenzackte, als die Schuppenfrau ihm das Herz genüsslich aus der Brust zog. Blut rann über ihren Arm und sie grinste.

"Reiseproviant." Ihr rechter Arm glühte. Mit einem Wort und einer Bewegung sprengte sie die Wand des Gesindehauses auf und die Mauer dahinter. "Nun komm, wir haben einen weiten Weg vor dir."

"Wohin gehen wir?", rief Myrtax ihr hinterher, als sie die ersten Wachen niedermetzelte. Er schulterte das zusammengebundene Laken, hoffte, dass die Urne intakt blieb, und folgte ihr über Leichen und Trümmer hinweg.

"Lass dich überraschen!", rief sie, hielt das Herz hoch in die Luft und ließ Blut in ihren Mund laufen.

Großartig. Von einem Ort mit Blutsaugern dem nächsten Blutsauger... nun, Bluttrinker hinterher. Myrtax hielt es nicht für eine gute Idee, aber nun war es zu spät.

 

 

"Haben wir sie abgehängt?", schnaufte Myrtax, gebeutelt von seinen Wunden und der nachlassenden Wirkung der Heilung von Renklah.

"Wen?" Die Schuppenfrau schaute sich um, als er sich an einen der großen Bäume lehnte, seinen Sack aus den Laken des Bettes ablegte und sich über die Stirn wischte.

"Na, unsere Verfolger. Die anderen Vampire."

"Pft.", machte sie und zeigte ihm ihre Krallen. "Sie können mir nicht gefährlich werden. Nicht einmal eure Druiden könnten es." Dabei schenkte sie ihm ein Lächeln, welches spitze Zähne zeigte. "Ich bin hier, um dich zu beschützen, kleiner Myrtax. Was machen deine Wunden?"

"Tun weh.", grummelte er, verzog das Gesicht. "Fühlt sich an, als wären sie erneut aufgegangen."

"Dann drehe dich mal." Er tat es vorsichtig, um nicht auf dem Wurzelgeflecht unter sich auszurutschen. "Nein, sieht nicht so aus. Dann komm weiter, wir haben es nicht mehr weit."

"Was, wohin?"

"Siehst du schon."

"Das ist schwer. Mir tut alles weh, ich stinke, habe Hunger, Durst und wir werden mit Sicherheit verfolgt."

"Dann bleib nicht stehen.", flötete die Frau, trat mühelos über die Wurzeln, wich Pflanzen und Büschen aus und fegte manchmal einen vorwitzigen Ast mit der Hand oder ihrem Schwanz fort.

Myrtax spuckte aus, schmeckte aus irgendeinem Grunde Blut und schulterte seinen improvisierten Beutel, folgte der Frau aus einer anderen Welt auf dem Pfad, den sie geschlagen hatte. Dem würden sicher auch ihre Verfolger folgen können. Die Frage war dann nur, wer das größere Pech haben würde.

 

 

Die Sonne war gerade untergegangen, unter den Bäumen wurde es finster und schwül. Die Luftfeuchtigkeit ließ Myrtax noch mehr schwitzen und schwerer atmen. Seine Kleidung war nass und er hatte das Gefühl, dass die Wunden durch die Feuchtigkeit noch mehr gelitten hatten.

"Da bist du ja.", tönte die Stimme der Schuppenfrau aus dem Dickicht vor ihm. Warmes Licht brach durch die wenigen Lücken und als er sich durch den Busch zwängte und sich dabei sein Rücken so schmerzhaft meldete, dass er aufschrie, bemerkte er zwischen den tränenden Augen ein Feuer und schaute genauer hin.

Die Schuppenfrau saß mit unterschlagenen Beinen vor einem Feuer, über dem zwei fette Hasen brieten. Sie waren bereits ausgenommen worden und die Frau drehte an einem Ast, um die Hasen nicht anbrennen zu lassen.

Sein Magen knurrte laut bei dem Anblick und ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

"Eh!" Sie deutete auf eine leise gurgelnde Quelle, die in einem schmalen Bach weiterlief. "Erst waschen. Du fasst mir diese leckeren Tierchen nicht mit schwitzigen Fingern an. Ich habe uns auch wilde Kräuter besorgt. Glaube ich. Schmecken auf jeden Fall."

"Ich...was?" Myrtax war ganz irritiert. "Du...warst jagen?"

"So kann man das nennen. Los, waschen, das Essen ist bald fertig. Wenn du willst, kümmere ich mich auch um deine Wunden."

"Das wäre nett. Kannst du mir wenigstens deinen Namen sagen, bevor ich mich ausziehe?"

"Rhihura."

"Oh, ich bin..."

"Myrtax, ich weiß. Ich habe dich vorhin schon so genannt."

"Oh, ja... Renklah hat dir gesagt, wie ich heiße?" Während er sprach, knöpfte er sein gutes Hemd auf und war betrübt darüber, dass er feuchte Blutflecken auf der Innenseite des Rückens fand.

"Sie sind noch frisch, da kriegt man das Meiste raus." Die Schuppenfrau Rhihura nahm ihm das Hemd ab und wartete darauf, dass er umständlich aus Schuhen und Hose geschlüpft war. Nun stand er nackt vor ihr und schaute sie erwartungsvoll an.

"Was?" Rhihura legte den Kopf schief. "Tragen werde ich dich nicht."

"Gut." Myrtax ging zum Bach und setzte sich hinein, zischte, weil es erstaunlich kalt war und nun wirklich ein paar der Wunden auf seinem Rücken aufrissen und bluteten.

"Oh je, das sieht schlimm aus." Rhihura kniete neben ihm nieder und wusch seine Kleidung aus, so gut sie es vermochte. "Ich gehe auf die Suche nach Kräutern und Pflanzen, die ich als Verbände nutzen kann. Wasch du dich, so gut du kannst, deinen Rücken überlasse ruhig mir."

Er nickte und ihm fiel die merkwürdige Sprechweise auf, die sie hatte. Rhihura war auf eine eigenartige Weise schön. Wie Rosen mit ihren Dornen, nicht wie Marseille schön.

Myrtax wusch sich und blieb eine Weile im kalten Wasser sitzen. Es war durchaus angenehm, seinen überhitzten Körper kühlen zu können. Er fühlte sich auch fiebrig an, zumindest überhitzt.

Rhihura kam nach einer gefühlten Ewigkeit wieder, die Hasen waren bereits leicht angeschmort und die Frau nahm sie vom Feuer, legte sie auf ein langes Farnblatt. Es duftete herrlich nach wildem Thymian und brutzelndem Fett.

"Gib mir noch einen Moment.", murmelte sie, hatte im Arm eine ganze Ladung an Blättern und Gräsern. Sie setzte sich in seine Nähe und begann aus den Gräsern schmale Fäden zu spinnen. Ihre krallenbewehrten Finger waren dabei erstaunlich geschickt, als hätte sie es schon hunderte Male gemacht. 

Plötzlich schaute sie hoch und musterte ihn. "Warte, dir wird kalt, oder?"

"Etwas, ja."

"Dann..." Sie legte alles beiseite, sogar den unfertigen Faden, riss ein gutes Stück aus dem Laken heraus, welches er als improvisierten Beutel nahm und begann ihn zu säubern. Myrtax biss sich auf die Zähne und gab leise Laute von sich. Das kalte Wasser brannte wie Feuer in den offenen Wunden und er sah dicke Blutfäden im Wasser zerfasern.

"Es ist schlimmer, als es aussieht.", berichtete sie ihm. "Muskeln beschädigt, einer der Schläge ging fast bis auf den Knochen. Mich wundert, dass du dich überhaupt noch bewegen kannst."

"Mich auch.", zischte er zwischen den Zähnen hervor. "Ich fürchte, ich habe Fieber."

"Oh..." Sie schien darüber nur milde erstaunt. "Das werden wir sehen."

Kaum drei Stunden später lag ein nun gesättigter, fiebriger Myrtax auf dem Bauch auf einer dünnen Schicht aus gewobenen Gras und kaute auf einer Art bitterem Moos herum.

"Hat Renklah dir das beigebracht?", schmatzte er schwach und trauerte dem Geschmack des gebratenen Hasen nach. Ein Festmahl, er hatte bisher noch nie Hase kosten dürfen. Dennoch fühlte er sich nicht erfrischt oder gesättigt, nur heiß und schwach.

"Ja. Er gab mir alles Wissen, was ich benötige." Rhihura flocht an etwas, aber Myrtax konnte nicht erkennen, was es war.

"Wie lange hat das gedauert?"

"Uhm... ungefähr einen Tag."

"Was?"

"Ja. Ich bin nur für dich geschaffen worden." Sie kicherte leise und grinste ihn an. "Was für ein Festmahl du mir bereitet hast. Dafür bin ich dir ewig dankbar."

"Hm.", machte Myrtax schwach. "Keine Ursache. Was...haben wir jetzt vor?"

"Ich bringe dich an einen sicheren Ort. Einen Ort, an dem du ungestört bist. Und sobald du dich eingelebt hast, bringe ich dir Magie bei. Aufregend, oder?"

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